Body Missing:
Rahmenerzählung/A bridging narrative
4. Die Geschichte (Fortsetzung)

Am Anfang waren wir sechs: Hannelore, Simone, Robert, Friedrich, Polly undich. Von Silvia habe ich nie etwas gehört. Andere kommen und gehen, wie esihnen möglich ist. Die meisten von uns haben andere Arbeit und können nurhier und da ein paar Stunden machen und manchmal vielleicht ein bißchenlänger an einem Wochenende. Aber immerhin geht es langsam weiter und dieBilder nehmen langsam Gestalt an. Wir haben alle unsere eigenen Gründe,warum wir es tun. Wir stellen keine Fragen.

Für eine Sache sorgen wir, nämlich daß die Rekonstruktionen nicht wie Kopiender Originale aussehen. Die Kunst ist nicht das Wichtige. Die Kunst gehörtnicht mir, nicht dir, sie gehört niemandem. Sie ist weg. Einige Sachen mögenwieder auftauchen, aber wir werden nie wissen, wo die meisten Sachen hin-gekommen sind. Wir sind an den Gedanken gewöhnt. Denk an all die Biblio-theken, die abgebrannt sind. Es ist das Fehlen. Denk nur mal. Zuerst die Züge,die Bergwerke, die Sammelpunkte, die Dampferschrankkoffer, die Boote, dieLastwagen, die Grenzen, die endlosen Dokumente und dann das Fehlen.

Wir treffen alle eine Wahl und machen Rekonstruktionen von einer kleinenGruppe von fehlenden Werken, eine kleine Öffnung in den Berg widersprüch-licher Behauptungen und Berichte. Wir haben alle unseren Bruchteil derGeschichte gewählt. Unser Rembrandt ist natürlich kein Rembrandt, unserCourbet kein Courbet, aber sie sind ein Zeichen, eine Geste.

Es ist sinnvoll, hier in Linz zu beginnen, die Unterlagen zu überprüfen, dieUntersuchungsberichte zu lesen, die Beweismittel zu berücksichtigen. Wie Liebeist Kunst nicht genug. Aber irgendwo müssen wir anfangen. Der nicht verwirk-lichte Führermuseumstraumplan für Linz, das Salzbergwerk in Altaussee, wo diegestohlenen Werke versteckt wurden, ihre fiebrige Verstreuung oder ihr Dieb-stahl, füllen die separaten Leeren und Schweigen, die hier zusammenkommen,unter der Stille der Landstraße bei Nacht und dem Hauptplatz, wenn das letzteCafé schließt, der Brücke über den Fluß, den Straßen, die zum Bergwerk führenund nach Wien..

Vorübergehend hängen wir die Rekonstruktionen Ð Hannelore nennt sieVerkörperungen Ð wo immer Platz im OK zur Verfügung steht. Aber dieSammlung wächst und es wird Renovierungen im Gebäude geben. Und dannstellt sich die Frage der Materialkosten, damit wir weitermachen können. Aberso sieht es bis jetzt aus.

Alles ist fertig hier. Die Pinsel, die Farbstifte, das Papier, die Leinwand, derComputer, der Scanner, die Fotos, die Erinnerungen, die Briefe, die Familien-berichte, die Kataloge, die Listen, die Listen, die Listen, die Listen, die Listenund die Listen. .