In Linz

Am Anfang waren wir acht: Bernie, Jeanne, Joanna, Daniel, Piotr, Mickey, Alice und ich. Die meisten von uns arbeiten anderswo, deswegen können wir immer nur stundenweise daran arbeiten, manchmal länger an Wochenenden. Die Arbeit geht trotzdem Stück für Stück voran.

Stellen Sie sich vor: Die aufwendigen Pläne, der Diebstahl, die Züge, die Sammelstellen, die Salzbergwerke, die Truhen, die Schiffe, die Lastwägen, die Grenzen, die Dokumente, die endlosen, akribischen Dokumente. Noch eine Liste und noch eine Liste und noch eine Liste. Die Abwesenheit.

Unsere Rekonstruktionen sind eigentlich keine Kopien der fehlenden Werke. Das ist gar nicht unsere Absicht. Sie kennzeichnen eine Stelle. Nicht die Kunst an sich ist wichtig. Bombardiert, geplündert, gestohlen oder verloren, die Kunst gehört nicht mir, nicht Ihnen, niemandem. Das war auch nie der Fall. Und jetzt ist sie weg. Manche Werke werden vielleicht wieder auftauchen, doch bei den meisten werden wir nie wissen, was damit geschehen ist.

Hier in Linz beinhalten die Umbauarbeiten im Erdgeschoß des Offenen Kulturhauses eine Bar, die mit der Transit Bar, in der ich in Toronto arbeitete, fast identisch ist. Ich bin schon seit fast sechs Monaten hier. Da sich alles so stark verändert hat, kann ich mich manchmal nur schwer erinnern, wie es vorher war. Aber man kann immer noch durch die Bar gehen, um in die Ateliers oben, in den Keller unten, in die Metallwerkstatt, in den Weinkeller, ins Büro oder zum hinteren Treppenhaus zu gelangen.

Jede von uns hat ein oder zwei Werke ausgesucht um sie zu rekonstruieren, unser eigenes Fragment der Geschichte. Unser Rembrandt ist natürlich kein Rembrandt; unser Goya kein Goya, unser Courbet kein Courbet ...und sollen sie auch nicht sein, sondern eine Geste. Ich hoffe, Sie werden verstehen.

Es ist sinnvoll, in Linz anzufangen: Unterlagen überprüfen, Verhöre lesen, Beweise begutachten. Kunst, wie die Liebe, genügt eigentlich nicht, doch irgendwo muß man anfangen. Wir treffen uns in der Bar, auch wenn ich nicht arbeite. Es ist gut zu wissen, daß alles im oberen Stockwerk bereitliegt: Die Pinsel, die Wachskreiden, das Papier, der Computer, der Scanner, die Photographien, die Memoiren, die Briefe, die Familienerzählungen, die Kataloge, die Listen, die Listen, die Listen, die Listen, die Listen und die Listen ...